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Montag, 15. Juni 2020

Woher ist der Magnetismus der Erde bekannt?


Der Erdmagnetismus nach Gilbert

Der Erste, der die Eigenschaften von magnetischen Erzen als auch von künstlich magnetisiertem Eisen systematisch erforschte, war der englische Wissenschaftler William Gilbert zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Er stellte fest, dass Magnetismus etwas anderes ist als statische Elektrizität. Ausgehend von den magnetischen Erzen wie Magnetit und Hämatit sowie deren Verbreitung kam er zu dem Schluss, dass die Erde insgesamt ein Magnet mit zwei Polen sei. Experimentell bestätigte er seine Erkenntnisse mit einem kugelförmigen Magneten, der „Terrella“ (kleine Erde). Er stellte fest, dass jeder Magnet eine Wirkung im Raum aufweist und eine Magnetnadel nicht direkt auf den geografischen Norden zeigt. So hat er beispielsweise einen Neigungswinkel (seine Bezeichnung ist „Deklination“) vorgeschlagen, um die Breitengrade auf See bei verdecktem Himmel abzuleiten. Die Rotation der Erde war für ihn eine Folge des Magnetismus. Zu weitergehenden Schlussfolgerungen konnte er zu seiner Zeit nicht kommen, weil die wesentlichen Gesetze von Magnetismus und Elektrizität noch nicht erforscht waren. Seine Erkenntnisse sind später alle bestätigt worden, einschließlich des Zusammenhanges von Magnetismus und Rotation. Allerdings lässt nicht der Magnetismus die Erde rotieren, sondern mit der Rotation der Erde entsteht der Magnetismus.


Der Erdmagnetismus nach Birkeland und StØrmer

Bekanntlich hat Birkeland bereits 1903 die Ansicht vertreten, dass von der Sonne ausgehende Strahlen die Ursache der Polarlichter und eines äquatorialen Ringstromes weit außerhalb der Atmosphäre sind. Mithilfe entsprechender Experimente, das Polarlicht künstlich zu erzeugen, gelang ihm der praktische Nachweis seiner Vermutung. In seinen Experimenten schickte er mittels Hochspannung einen Elektronenstrahl durch einen evakuierten Glasbehälter und ließ in diesem Strahl eine magnetisierbare Eisenkugel rotieren. Damit konnte er zeigen, dass sowohl in Polnähe als auch über dem Äquator außerhalb der Kugel Elektronenansammlungen in Form von Leuchterscheinungen auftraten. Mit diesen Experimenten und Vorstellungen regte er Størmer an, die Wirkung der von der Sonne kommenden Elektronenstrahlung auf die Erde und deren Magnetfeld zu berechnen. Im Ergebnis dessen fand Størmer, dass die Elektronen der Sonne die Erde nur in zwei schmalen Kreisbändern in Polnähe erreichen (Polarlichter) und ansonsten einen Ringstrom über dem Äquator bilden.
Sowohl die Polarlichter als auch den Ringstrom betrachtete man als eine von der Sonne kommende Störung des Erdmagnetfeldes, ohne sich diese als die Ursache des Erdmagnetfeldes zu denken.

Der Erdmagnetismus nach Angenheister

Angenheister schreibt 1927 über den Stand zur erdmagnetischen Forschung, es gäbe mehrere magnetische Felder unterschiedlichen physikalischen Ursprungs sowie unterschiedlicher räumlicher und zeitlicher Verteilung, die sich überlagern. Es existierten unter anderem ein permanentes Feld aus der Rotation resultierend und ein Feld aus der Atmosphäre resultierend. Beide Felder wären räumlich und zeitlich veränderlich und würden durch elektrische Ströme bewirkt, die aus der ultravioletten Sonnenstrahlung entstünden. Er war im Gegensatz zu anderen Wissenschaftlern folgender Meinung:
Den permanenten Magnetismus der Erde auf die Wirkung ost-westlicher elektrischer Ströme im Erdinneren zurückzuführen, ist wohl kaum angängig. Ihr Betrag müßte […] im Mittel 0,5 Amp. pro cm betragen. Für die Existenz so starker Ströme im Erdinneren ist nicht der geringste Anhalt vorhanden.
Deshalb favorisierte er die Theorie von der Wirkung rotierender elektrischer Raum- und Oberflächenladung. Er war der Meinung, dass sich Masse, Rotationsgeschwindigkeit und magnetisches Moment in Zusammenhang befänden. Die Wirkung des von Birkeland/Størmer gefundenen Ringstromes sah er ebenfalls nur als Störung des Magnetfeldes an. Zudem konnte er die Abweichung des Magnetfeldes von der Rotationsachse nicht erklären. Sein Resümee war wie folgt:
Die physikalische Ursache des Innenfeldes muß in der Rotation der Erde gesucht werden. Es scheint, daß die Masse der Erde (und Sonne) sich bei der Rotation wie eine elektrische Ladung verhält.
Leider liegen die Verhältnisse in anderen Größenordnungen, als dass man sie mit der Erde vergleichen könnte. Die elektrische Ladung der Erde beträgt bekanntermaßen etwa 600.000 Coulomb. Diese Menge entspricht nach dem Ladungs-/Masseverhältnis nur 3,5 Milligramm bei Elektronen oder nur 6,35 Nanogramm bei Protonen. Insofern wird deutlich, dass es eine andere Quelle als die elektrische Ladung der Erde für deren Magnetismus geben muss. Das erklärt auch den Misserfolg von Gilberts Terrella-Versuchen. Warum man allerdings die Forschungen von Angenheister nicht weiterführte, liegt im Dunkeln. Vielleicht wurden sie durch die Theorien von Elsasser verdrängt.


Der Erdmagnetismus nach Elsasser

Angefangen bei Gauß 1838 und bei Larmor 1919 entstanden Vermutungen darüber, dass die Quelle des Erdmagnetfeldes im Inneren der Erde liegen müsse. Alle Magnetfelder in großen Himmelskörpern würden durch einen selbsterregenden Dynamoprozess erzeugt, postulierte Larmor. Diese zunächst angefochtene Dynamotheorie ist mittlerweile das Standardmodell zur Entstehung des Erdmagnetismus geworden. Sie erfuhr ihre Krönung durch Elsasser. Seine 1939 veröffentlichte Theorie besagt, dass das Erdmagnetfeld durch Wirbelströme innerhalb des flüssigen Erdkerns erzeugt würde. Dies solle folgendermaßen geschehen:
Unter der dünnen Erdkruste liegt der Erdmantel. Ab einer Tiefe von rund 35 km besteht er aus zähflüssigem Gestein. Dieser Abschnitt reicht rund 2.900 km tief und weist Temperaturen bis zu 3.500 °C auf. Auf den Erdmantel folgt der äußere Erdkern, eine flüssige Schmelze aus Nickel und Eisen. Sie ist etwa 3.800 °C heiß und wäre elektrisch äußerst leitfähig. In rund 5.000 km Tiefe beginnt der innere Erdkern aus festem Nickel und Eisen. Seine Temperatur beträgt nach unterschiedlichen Schätzungen 4.800 bis 7.700 °C. Durch die Temperaturunterschiede zwischen innerem und äußerem Kern entstehen Konvektionsströmungen. Die Drehbewegung der Erde lenkt diese Strömungen ab. Sie vollziehen eine Spiralbewegung parallel zur Erdachse. Dabei entsteht wie bei einem Generator elektrischer Strom, der das Magnetfeld der Erde aufbaut.
Elsasser formulierte 1950 auch die Magnetohydrodynamik des Erdkerns. Diese beschreibt das Verhalten elektrisch leitender Flüssigkeiten, die in Wechselwirkung mit magnetischen Feldern wiederum erneut Ströme erzeugen würden. Bis heute gibt es dafür keine experimentelle Bestätigung. Auch die dafür entwickelten mathematischen Modelle überzeugen bisher nicht.

Der Erdmagnetismus nach Blackett

Blackett sah wie bereits Gilbert einen Zusammenhang zwischen Magnetismus und Rotation. Allerdings formulierte er 1947 im Gegensatz zu Gilbert, dass die Erde magnetisch sei, weil sie rotiert. Er schlug sogar vor, dass möglicherweise jedes rotierende Objekt einen ihm innewohnenden Magnetismus besitze. Diese Ansicht gründete sich darauf, dass alle Elektronen und Protonen ein magnetisches Moment wegen ihres „Spins“ besitzen. Experimente mit rotierenden Objekten, die nach seiner Theorie eine messbare Magnetisierung besitzen sollten, hatten keine. Er beachtete oder wusste nicht, dass Rotation nur mit gehörig großer elektrischer Ladung einen Magnetismus hervorbringen kann. Er verbrachte mehrere Jahre damit, hochwertige Magnetometer zu entwickeln, um seine Theorie zu testen. Die Arbeit zu diesem Thema führte ihn in das Gebiet der Geophysik. Über zehn Jahre untersuchte eine Gruppe unter seiner Leitung viele Aspekte der Eigenschaften von Gesteinen, um das Erdmagnetfeld nach Größe und Richtung zu bestimmen und das Phänomen zu klären, dass etwa 50 % aller magnetischen Gesteine umgekehrt polarisiert sind. Die Frage war, ob diese umgekehrte Magnetisierung auf Polsprünge des Erdmagnetfelds oder auf physikalische Prozesse, die im Gestein ablaufen, zurückzuführen ist.
Leider führte man diese wissenschaftlichen Untersuchungen nicht konsequent zu Ende, weil die sich immer stärker durchsetzende Theorie des Geodynamos nach Elsasser sowohl die Herkunft des Erdmagnetfeldes als auch die Polsprünge erklärte – aber eben nur scheinbar.

Der Erdmagnetismus nach Soffel

Das Hochschullehrbuch Paläomagnetismus und Archäomagnetismus von Soffel aus dem Jahre 1991 gilt bis heute als ‚Bibel‘ dieser Fachrichtung. Es enthält in der Hauptsache die methodischen Grundlagen für die Forschung, aber auch Ergebnisse aus der Forschung des Paläo- und Archäomagnetismus. Zum Ursprung des Magnetfeldes konstatiert Soffel:
Die Krustenmagnetisierung scheidet als Hauptquelle für das Erdmagnetfeld auf Grund der zu geringen und örtlich zu stark variierenden Magnetisierung der Gesteine aus. Ein Permanentmagnet im Erdinneren kommt wegen der dort herrschenden hohen Temperaturen nicht in Frage. Stromsysteme im äußeren Erdkern werden momentan als beste Lösung des Problems angesehen.
Demnach favorisiert auch Soffel die Dynamotheorie als Ursache des Erdmagnetismus und damit auch Polsprünge, ohne weitere Theorien zu beachten, wie etwa die von Angenheister Weiterhin zieht sich die Remanenz wie ein roter Faden in den verschiedensten Interpretationen durch die einzelnen Kapitel seines Buches. Ausgangspunkt bildet folgende Grundaussage von Soffel:
Mit den Möglichkeiten hochempfindlicher, moderner Magnetometer konnte nachgewiesen werden, dass alle Gesteinstypen eine remanente Magnetisierung besitzen.
Dieser Satz wäre gültig ohne das Wörtchen remanente.
Die falsche Interpretation der Remanenz und die ungenügenden quantenphysikalischen Details des Antiferro- und Ferrimagnetismus sind die Gründe, warum Soffel von sehr großen Abweichungen des erdmagnetischen Feldes bis zur Umkehr – bezogen auf den rezenten, geozentrischen Dipol – ausgeht.

Der Erdmagnetismus nach Demtröder

Von Demtröder wurde 1995 das Hochschullehrbuch „Experimentalphysik 2: Elektrizität und Optik“ herausgegeben. Dort wird unter anderem das Magnetfeld der Erde behandelt, ohne dass neue Erkenntnisse oder Theorien proklamiert werden. Das Interessante in diesem Buch sind aber einige spezifische Sachverhalte, die für die folgenden Posts wichtige Aussagen darstellen und bei anderen Autoren nicht so deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Zum Erdmagnetfeld stellt Demtröder 1995 grundsätzlich fest:
[…] aber erst seit wenigen Jahren gibt es Modelle über seine Entstehung und seine zeitliche Änderung, obwohl auch heute noch viele Details ungeklärt sind.
und
Weit entfernt von der Erde im interplanetaren Raum wird das Dipolfeld der Erde stark verändert durch Ströme geladener Teilchen (Protonen, Elektronen), die von der Sonne emittiert werden (Sonnenwind).
Auch Polsprünge gelten für ihn als selbstverständlich. Zur Erzeugung des Erdmagnetfeldes führt Demtröder aus:
Es muss deshalb von Ringströmen, die symmetrisch zur Dipolachse fließen, stammen.
Insofern erklärt er den Erdmagnetismus ebenfalls mit dem allgegenwärtigen Dynamoprinzip. Dennoch räumt Demtröder ein:
Viele Details dieses Modells des Erdmagnetfeldes sind noch ungeklärt und bedürfen weiterer Untersuchungen.

Der Erdmagnetismus nach gegenwärtigen Erkenntnissen

Die Erde besteht bekanntermaßen aus einer hauptsächlich eisernen Vollkugel (32 % Eisenanteil) mit fester Kruste, mehr oder weniger flüssigem Inneren, einem festen Kern und einem Magnetfeld. Diese Kugel dreht sich mit hoher Geschwindigkeit um sich selbst. Wir merken es nicht, aber am Äquator beträgt die oberflächliche Geschwindigkeit 465 m/s. Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass die Kruste aus den relativ leichten (2,7 g/cm³) und dicken (30 bis 60 km) Kontinentalplatten sowie aus den relativ schweren (3 g/cm³) und dünnen (5 bis 9 km) Ozeanplatten besteht. Die Ozeanplatten machen circa zwei Drittel der gesamten Erdoberfläche aus.
Wegener begründete bereits vor 1915 eine Bewegung dieser Platten. Er schreibt von partieller und gesamter Krustenwanderung und in diesem Zusammenhang auch von Polverschiebung. Die Existenz von Polen stellt ein weiteres Kennzeichen der Erde dar. So existieren geografische und magnetische Pole als Punkte auf der Erdoberfläche. Während die geografischen Pole die Durchstoßungspunkte der Rotationsachse repräsentieren, befinden sich die Magnetpole an den Stellen der größten magnetischen Feldstärke. Unabhängig von der Herkunft des Magnetismus gilt damit zwangsläufig, dass jede Krustenverschiebung auch eine scheinbare Verschiebung der Pole zur Folge hat. Eine solche Verschiebung der Kruste, bezogen auf die Rotationsachse, hat nichts mit den Hypothesen der magnetischen Umpolung zu tun.
Weiterhin ist zu beachten, dass einerseits der Eisenanteil und damit die magnetische Relevanz mit der Tiefe zunehmen. Andererseits verschwindet die magnetische Wirkung von Gesteinen und Erzen bei Temperaturen über 525 °C (Curie-Temperatur von Magnetit) bzw. 675 °C (Néel-Temperatur von Hämatit), die in der kontinentalen Kruste je nach Zusammensetzung bei etwa 20 km Tiefe erreicht werden, in der ozeanischen Kruste schon bei etwa 7 km Tiefe. Damit beinhalten die Ozeanplatten einen wesentlich geringeren Anteil an magnetisch wirksamen Bestandteilen als die Kontinentalplatten. Aus diesen Punkten wird klar, dass die Wirksamkeit der magnetischen Bestandteile nur eine oberflächliche ist und die Kontinentalplatten magnetisch wesentlich stärker wirken als die Ozeanplatten.
Zum Magnetfeld ist außerdem auszuführen, dass es geostationär ist. Das bedeutet, dass es sich mit der Erde mitdreht und die Feldachse mit der Rotationsachse ungefähr übereinstimmt. Die Winkeldifferenz der Achsen beträgt etwa 10°. Erzeugt werden würde das Erdmagnetfeld vom sogenannten Geodynamo. Außerdem würde im Mittel alle 200.000 Jahre eine „Umpolung“ (= Polsprung) der Feldrichtung stattfinden.
Auf das Wesentliche reduziert, stellt die Erde nichts anderes dar als eine elektrisch geladene Hohlkugel verschiedener Permeabilität (Hohlkugel deshalb, weil der heiße Kern magnetisch unwirksamem ist), die von elektrisch geladenen Teilchen (Sonnenwind) senkrecht zur Achsrichtung umströmt wird und von äquatorialen Strahlengürteln, Ringströmen sowie einem geostationären Magnetfeld umgeben ist, dessen theoretisches Dipolmoment 8 1022 Am² und dessen Feldstärke an den Polen ca. 60 𝜇T beträgt. Um genauere Vorstellungen von Intensität und Form des Erdmagnetfeldes zu bekommen, wurde von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) die Mission „Swarm“ gestartet. Ergebnisse sind öffentlich noch nicht bekannt.

Infobox:
Das Ziel der Satellitenmission „Swarm“ besteht darin, mit drei Satelliten auf verschiedenen Umlaufbahnen eine Gesamtaufnahme des geomagnetischen Feldes und seiner zeitlichen Entwicklung zu liefern, um neue Erkenntnisse zur Verbesserung des Verständnisses vom Inneren der Erde und ihrer Umgebung zu gewinnen.


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